The Network Outside In

Unsere sozialen Netzwerke basieren auf materieller Kultur, aber zugleich vergessen wir das verbindende – und trennende – Netz, wenn wir kooperieren und kommunizieren. Dieses Verschwinden gehört zur Medialität der Netzwerke untrennbar dazu. Aber ihre materiell-symbolische Konstitution tritt immer wieder zu historischen Wendepunkten in den Vordergrund.

Formalisierte Netzwerke treiben nicht nur die Verbindungslogiken von Social Media an, sie sind auch zur Bedingung für weitere rezente Medienentwicklungen geworden, die Sprache, Texte, Bilder, Töne, Filme und Computercodes unter neue Netzwerkbedingungen stellen. Mit der datenintensiven Entwicklung von Algorithmen maschinellen Lernens ist die „network science“ in eine neue Phase eingetreten, die ich – mit aller gebotenen Vorsicht – die siebte Schicht der Netzwerkgeschichte nenne.

Durch konnektionistische Rechenpraktiken, die auf künstlichen neuronalen Netzen beruhen, ist seit 2012 das Phänomen der lange als gescheitert gegoltenen „Künstlichen Intelligenz“ zurückgekehrt. Galt im maschinellen Lernen zunächst statistischer Sprach- und Bildanalyse durch neuronale Netze die Aufmerksamkeit, ist mit den großen Sprachmodellen seit 2017 ein neuer, „generativer“ Modus der medialen Produktion entstanden. Dieser variiert vor allem bestehende cultural patterns, die vorher einer (formalen) Netzwerkanalyse unterzogen worden sind, um dann aufs Neue Muster zu generieren, die aber lediglich auf Wahrscheinlichkeiten beruhen.

Die Akteur:innen dieser Transformation, ob nun in ihrer nordamerikanischen oder chinesischen Variante, investieren massiv in den Ausbau ihrer geopolitischen Netzwerkmacht. Sie beruht weiterhin auf materiellen Faktoren: Künstliche Intelligenz benötigt energie- und kostenintensive Rechenzentren, um auf allen digitalen Geräten in Quasi-Echtzeit verfügbar zu sein. Sie bleibt auf ständig neue Datenressourcen angewiesen, die durch die Nutzer:innen in unsichtbarer Arbeit miterzeugt – oder wie jüngst im Falle von Metas Training des Sprachmodells Llama – gleich durch Big Tech extraktiv geraubt werden.

Mit konnektionistischer KI, die mit Sicherheit künstlich, aber eben nicht biologisch intelligent ist, steht die Beschreibbarkeit und Analyse dessen, was wir Medien und Kulturtechniken nennen, selbst auf dem Spiel. Dem ins Innere der Medien gewanderten Netzwerk werden wir nur auf die Spur kommen, wenn wir seine politische Ökonomie samt Datenkolonialismus, seine Rückwirkung auf unsere sozialen Medien, aber auch das opake Rechnen mit künstlichen neuronalen Netzen besser verstehen.

Zuerst erschienen im studentischen Magazin Seitenspiel, Potsdam: Europäische Medienwissenschaft, 2025, S. 9.

 

Blockchain vs. AI

Logo 4S 2025 Reverberations SeattleBoth as imaginary and material network technologies, blockchain and ‘artificial intelligence’ tend to clash and mingle at the same time. Current neoconnectionist AI and blockchains follow very different cultural logics, just as neural networks differ from peer-to-peer networks sociotechnically. Maximum data intensity, large language models, tokenized media objects, modification of algorithms by data, operational statistics, plus the variation of existing patterns in the case of AI – data immutability, encryption, token economies and exact processing of algorithmic instructions in the case of blockchain. Together, blockchain and neoconnectionist AI are about to form what I call a seventh historical layer within my work on “The Connectivity of Things” in network cultures.

Yet, at the same time, blockchain and AI not only compete for parallel distributed processing power in data centers. They both share energy-intensive, extractive strategies that drive the booms and busts of too-late capitalism (Anna Kornbluh). While their network imaginaries are still being contested, naturalization and habitualization happen at an ever increasing pace. Sometimes, blockchain is now promoted as a slowing-down counter-infrastructure to AI’s accelerationist, generative media and its models. The paper is going to take a close look at controversial cases like Worldcoin, which is supposed to afford for a biometrical “proof-of-human” that attaches a digital identity to online content. While the cultural logics of blockchain and AI might seem to differ almost entirely on the infrastructural level, they are currently serving as a match made in hell when it comes to their political and economical appropriation.

[This is my contribution to the 4S open panel Network Imaginaries: Past, Present, and Future on September 4, 2025.]

Künstliche Intelligenz zwischen Spezialisierung und Universalisierung

Cologne Media Conversations Künstliche Intelligenz zwischen Spezialisierung und Universalisierung

Auf welche Zukunft in welchen neuen Umgebungen muss sich die Medien- und Kulturtechnikforschung angesichts der rezenten Konjunktur von Künstlicher Intelligenz ausrichten?

Der Vortrag kommt hierzu auf eine grundsätzliche Frage von Marcel Mauss zur Konstitution von Techniken zwischen speziellen und allgemeinen Zwecken zurück. Er bietet, erstens, eine kurze Lagebeschreibung zur gegenwärtigen Entwicklung des maschinellen Lernens und neuerer KI zwischen Spezialisierung und Universalisierung.

Kern meiner Argumentation ist, zweitens, eine natur- und kulturtechnische Genealogie. Sie fragt nach der historischen Wiederkehr konnektionistischer Praktiken, Algorithmen, Denk- und Handlungsstile als Bedingung der aktuellen KI-Technologien. Wie konnten aus biologischen Neuronen artifizielle neuronale Netze werden, die als infrastrukturelle Grundierung Künstlicher Intelligenz fungieren?

Auf dem Spiel stehen dabei, drittens, die Medien selbst. Sie werden aufgrund der Naturalisierung und Habitualisierung von konnektionistischer KI zu statistisch operationalisierten, datenintensiven Netzwerken.

Künstliche Intelligenz zwischen Spezialisierung und Universalisierung:
Eine Wette mit Marcel Mauss
Cologne Media Conversations no. 55

Dienstag, 21.01.2025, 12–13.30 Uhr
Universität zu Köln, Hauptgebäude, Hörsaal VIII

Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2024/25

GNSS-Referenzpunkt Siegen

Im Wintersemester 2024/25 biete ich folgende Lehrveranstaltungen in der Siegener Medienwissenschaft an:

  • Medien- und Wissensgeschichte Künstlicher Intelligenz
    Unisono | Moodle
  • Ringvorlesung: Media Environments: Between Capture and Surveillance
    Unisono | Moodle
  • Internetgeschichte und Web History (Seminar Mediengeschichte)
    Unisono | Moodle
  • Susan Leigh Star und Bruno Latour
    Unisono | Moodle

Worum geht es in den Lehrveranstaltungen? „Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2024/25“ weiterlesen

Grenzobjekte und Medienforschung

Susan Leigh Star: Grenzobjekt und Medienforschung CoverSusan Leigh Stars (1954–2010) Werk bewegt sich zwischen Infrastrukturforschung, Sozialtheorie, Wissenschaftsgeschichte, Ökologie und Feminismus. Die wegweisenden historischen und ethnografischen Texte der US-amerikanischen Technik- und Wissenschaftssoziologin liegen mit diesem Band erstmals gesammelt auf Deutsch vor. Ihre Arbeiten zu Grenzobjekten, Marginalität, Arbeit, Infrastrukturen und Praxisgemeinschaften werden interdisziplinär kommentiert und auf ihre medienwissenschaftliche Produktivität hin befragt.

Mit Kommentaren von Geoffrey C. Bowker, Cora Bender, Ulrike Bergermann, Monika Dommann, Christine Hanke, Bernhard Nett, Jörg Potthast, Gabriele Schabacher, Cornelius Schubert, Erhard Schüttpelz und Jörg Strübing.

„Grenzobjekte und Medienforschung“ ist im Open Access verfügbar.

„Grenzobjekte und Medienforschung“ weiterlesen