Money, Credit, and Digital Payment 1971/2014: From the Credit Card to Apple Pay

NFC terminal with iPhone 6, video still, 2014The article intertwines the history of the American credit card, its standardization, and interactional realization with the latest developments in payment systems. Understanding both credit cards and systems like Apple Pay or blockchain-based applications as part of an administrative longue durée, it argues for a different understanding of the Internet of Things. It should be understood both as a technical-informational and as an accounting infrastructure, with tensions arising between both segments.

Check out the full text, published in Administration and Society’s special issue on ICT@Administration at https://doi.org/10.1177/0095399718794169.

Grenzobjekte und Medienforschung

Susan Leigh Star: Grenzobjekt und Medienforschung CoverSusan Leigh Stars (1954–2010) Werk bewegt sich zwischen Infrastrukturforschung, Sozialtheorie, Wissenschaftsgeschichte, Ökologie und Feminismus. Die wegweisenden historischen und ethnografischen Texte der US-amerikanischen Technik- und Wissenschaftssoziologin liegen mit diesem Band erstmals gesammelt auf Deutsch vor. Ihre Arbeiten zu Grenzobjekten, Marginalität, Arbeit, Infrastrukturen und Praxisgemeinschaften werden interdisziplinär kommentiert und auf ihre medienwissenschaftliche Produktivität hin befragt.

Mit Kommentaren von Geoffrey C. Bowker, Cora Bender, Ulrike Bergermann, Monika Dommann, Christine Hanke, Bernhard Nett, Jörg Potthast, Gabriele Schabacher, Cornelius Schubert, Erhard Schüttpelz und Jörg Strübing.

„Grenzobjekte und Medienforschung“ ist im Open Access verfügbar.

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Vier Thesen zur Plattformgesellschaft (2)

Die vier Thesen zur Plattformgesellschaft, die Michael Seemann und ich zur re:publica 2015 formuliert haben, waren nie statisch gedacht. Also sollen sie fortwährend an die aktuellen medienkulturellen und ökonomischen Gemengelagen angepasst werden. Denn die Diskussion um die Vermittlungsleistungen und den Charakter digitaler Sozialität hat gerade erst begonnnen.

In meinem Siegener Seminar „Was ist eine Plattform?“ im Wintersemester 2015/16 (PDF) standen weniger die historischen Netzwerkeffekte und Plattformökonomien im Vordergrund, um die es uns bei der re:publica ging. Vielmehr ging es um  die neuen und neuesten „sozialen Medien“. Ob des Tempos der Entwicklung sind Plattformen wie Facebook und YouTube dabei schon „alte Medien“, WhatsApp aktueller Mainstream und Snapchat vorläufig das nächste heiße Ding. Durch den Vergleich vieler aktueller Plattformen und ihrer Nutzungspraktiken lässt sich nun eine etwas andere Systematisierung vornehmen, die nach den gemeinsamen Eigenschaften der aktuellen Social-Media-Plattformen fragt – also nach ihrem Charakter als neue Vermittler.

Was also ist eine Plattform, als soziales Medium? Eine Definition könnte folgendermaßen formuliert werden:

  1. Plattformen sind datenintensive Infrastrukturen, auf denen verschiedene soziale Welten unterschiedlicher Akteure zusammentreffen können, aber nicht müssen.
    Ihre infrastrukturelle Veränderung folgt also den verschiedenen Praxisgemeinschaften, die eine Plattform gewissermaßen für sich „erobern“. Filter bubbles und Echokammern existieren neben Interaktionsformen, in denen heterogene Akteure aus verschiedenen sozialen Welten miteinander interagieren. Dabei ist die Vermittlung zwischen unterschiedlichen sozialen Welten ein diffiziler Prozess, der an Missverständnissen, kulturellen Unterschieden und soziotechnischen Störungen scheitern kann.
  2. Plattformen zielen auf die Aggregation von Netzwerkeffekten, indem sie Netzwerkbildungen von vielen Akteuren (many-to-many) einen standardisierten Rahmen geben.
    Dies klingt zwar vergleichsweise geradlinig, ist aber ein komplexer Prozess, da sowohl sich formierende Praxisgemeinschaften und Plattformfunktionalitäten nicht konstant bleiben, sondern wechselseitig verfertigt werden. Twitter ist dafür das beste Beispiel, seiner von der aktivistischen horizontalen Vernetzung zum globalen Nachrichtenmedium verlaufenen Karriere. Der standardisierte Rahmen ist oft Gegenstand von Nutzungskontroversen, die gerade die Modi der Netzwerkbildung beinhalten, wie etwa die mittlerweile eingeführte algorithmische Relevanzfilterung in der Twitter-Timeline zeigt.
  3. Plattformen sind Orte soziotechnischer Kooperation, die Vertrauen, Kontrolle, Bewertung, Klassifikation und Standardisierung miteinander kombinieren. Sie sind infrastrukturelle und öffentliche „Medien der Kooperation“.
    Die normale Kooperationsform auf Social-Media-Plattformen ist die einer „Kooperation ohne Konsens“, wie sie die Techniksoziologin Susan Leigh Star beschrieben hat. Selbst vergleichsweise geschlossene, normativ ähnlich eingestellte und kleine Praxisgemeinschaften können i.d.R. selten einen kompletten Konsens über ihre Vorgehensweise erzielen. Gemeinsames kooperatives Handeln wird deshalb zuallermeist über gemeinsam genutzte Werkzeuge – in diesem Fall die Plattformfunktionalitäten und andere Software – organisiert. Selten gibt es hierfür die ideale Lösung, vielmehr ist  auch die Interaktion in Social Media durch eine „Struktur schlecht strukturierter Lösungen“ (Star) gekennzeichnet, die für Vertrauensbildung, Kontrolle, Bewertung und Klassifikation genutzt werden.
  4. Plattformen entwickeln eine regulative Kraft auf die durch sie vernetzten Akteure, werden aber durch deren Nutzungspraktiken fortwährend transformiert. Teilweise versuchen sie, den Charakter neuer Institutionen anzunehmen.
    Was in der Forschung oft als globale „Plattformpolitik“ diskutiert und v.a. anhand der Terms of Service problematisiert wird, ist in der alltäglichen Interaktion mit sozialen Medien eine deutlich komplexere Angelegenheit. Die Ko-Konstitution von Medienpraktiken und datenintensiver Infrastruktur lässt sich nicht als statisches Diagramm zeichnen. Jedoch setzen gerade die großen, quasi-monopolistisch agierenden Plattformen sehr gezielt globale Kooperationsbedingungen. Diese sind aber nicht der Ort eines neuen, politisch und v.a. ökonomisch bezifferbaren Mediendeterminismus. Vielmehr bleibt es eine medientheoretische Aufgabe, den nur stabil erscheinenden, vorläufigen Status der neuen Medienagenturen zu bestimmen, mitsamt ihres Anspruchs als Ort der neuen Öffentlichkeiten.

Denn der aktuelle Strukturwandel der (privatisierten) Öffentlichkeiten ist mitnichten abgeschlossen, und kann sogar in’s gemeinschaftliche Web 0.0 zurückführen, wie ein gleichnamiges Projekt des italienischen Street-Art-Künstlers Biancoshock zeigt:

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Medienpraktiken der Koordination, Delegation und Registrierung/Identifizierung*

Wie könnte eine Neuperspektivierung der Mediengeschichte und Medienanalyse aussehen, die Praxis allen anderen Größen vorlagert und deshalb vor allem Produktions- und Arbeitsprozesse, und damit auch die Modi bürokratischer Datenverarbeitung als „visible“ und „invisible work“ in den Vordergrund rückt (Star 1999)? Diese „Rückseite“ der Medien ist durch die langjährige analytische Trennung von Produktions-, Distributions- und Rezeptionsvorgängen in der deutschsprachigen Medienwissenschaft i. d. R. vernachlässigt worden – oft zugunsten eines Schwerpunkts auf Rezeptionsfragen, der wiederum selten praxeologisch fundiert wurde. Ein dreizügiges begriffliches Angebot, mit dem die kulturtechnischen Basisfunktionen des speicherprogrammierten Computers – also das „Speichern“, „Bearbeiten“ und „Übertragen“ (Kittler 1986) – auf eine wesentlich heterogenere Welt digital vernetzter Medien übertragen worden sind, bietet für eine durch digitale Medieninteraktion geprägte Welt keinen adäquaten Rahmen mehr. Vielmehr hat sich mittlerweile die Erkenntnis der Akteur-Netzwerk-Theorie durchgesetzt, dass Akteure Skalierungsleistungen selber erbringen, deren Maßstabswechsel wiederum zu berücksichtigen sind (Latour 2007; Ribes 2014). „Medienpraktiken der Koordination, Delegation und Registrierung/Identifizierung*“ weiterlesen

Navigationen – Medien der Kooperation

Cover Medien der KooperationIn den letzten Wochen gab es noch den Feinschliff, nun liegt die aktuelle Ausgabe der Siegener Navigationen gedruckt vor. Das von Matthias Schäfer gestaltete Cover zeigt nicht nur die Grafiken, mit denen die Techniksoziologin Susan Leigh Star ihr Konzept der „Grenzobjekte“ erstmals gegenüber Informatikern erläuterte. Auf der Rückseite haben wir noch einen kleinen heutigen Einblick in diejenige Institution versteckt, der die berühmte historische Fallstudie Stars und James Griesemers gegolten hat – das Museum of Vertebrate Zoology der University of Berkeley.

[Update 9.7.2015: Mittlerweile ist der Volltext der Ausgabe als PDF auf dem Siegener OPUS-Publikationsserver verfügbar.]

Worum geht es in dem Heft, das eine von David Sittler besorgte deutsche Erstübersetzung von Susan Leigh Stars „The Structure of Ill-Structured Solutions“ bietet?

Die digital-vernetzten Medien erfordern neue Analysen, Theorien und
Geschichten. Sie verändern unseren Blick auf die Geschichte von
Infrastrukturen, Öffentlichkeiten und Medienpraktiken. Was wären Ansätze
für eine Medientheorie, die praktischen „skills“ des Mediengebrauchs,
seiner soziotechnischen Materialität und den bürokratischen wie
epistemischen Qualitäten der Medien gerecht wird? Die vorliegende
Ausgabe 1/2015 der Navigationen widmet sich Medien als kooperativ
bewerkstelligten Kooperationsbedingungen. Sie erbringen, so die These,
konstitutive Vermittlungsleistungen zwischen der Organisation von
Arbeit, Praktiken des Infrastrukturierens und der Genese von
Öffentlichkeiten in wechselseitiger Interaktion.

u.a. mit Beiträgen von Erhard Schüttpelz, Sebastian Gießmann, Susan
Leigh Star, Heinrich Bosse und Kjeld Schmidt.

Hrsg. von der AG „Medien der Kooperation
Erhältlich beim Siegener Universitätsverlag universi.

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